Fintechnews.ch interviewt in einer Serie von Kurz-Interviews seit Jahren bekannte Schweizer Fintech Influenzer. Diese Woche erklärt uns Marc Lussy* warum man Fintech in Brasilien unbedingt verfolgen sollte. Zudem erklärt er die Einflüsse der Pandemie auf die Banken und stellt ein uns bisher eher unbekanntes Schweizer Wealthtech Startups vor. Zum Schluss nominiert er einen weiteren Schweizer Fintech Influenzer.
Hallo Marc, was hat sich während der Covid19-Pandemie für Dich persönlich verändert?
Gefühlt wirklich nicht viel. Ich bin schon seit 20 Jahren sehr viel unterwegs. Entsprechend war schon da mein Notebook mit dem Modem mein Büro. Zudem habe ich viele Projekte mit Stakeholdern in verschiedenen Ländern geleitet und bin es seit dann gewohnt via Conf-Call oder Video zu arbeiten. Auch habe auf der ganzen Welt verteilt Freunde, mit welchen ich viel auf Social Media die Beziehung pflege.
Neu war einzig, dass ich im Vergleich zur Zeit vor Corona mehr zu Hause bin. Das geniesse ich ausserordentlich, freue mich aber natürlich auch darauf die internationalen Geschäfte bald wieder vor Ort voranzutreiben. Bestätigt hat sich in dieser Zeit auch, dass die digitale Kommunikation zwar ausserordentlich bereichernd ist, aber nicht alles ersetzen kann. Kurz ich bin und bleibe eine der digitalsten aber gleichzeitig auch einer der analogsten Menschen.
Dank Corona ist der Widerstand zur Veränderung gesunken
Denkst Du Corona ist der Digital Beschleuniger welcher der Branche bisher fehlte?
Ja aber…..Es wird ein Beschleuniger sein, kurz-/mittelfristig jedoch viel weniger als wir erwarten, längerfristig jedoch viel stärker als wir es voraussehen. Auch werden die Haupttreiber andere sein als die Mehrheit erwartet und tendenziell nicht die Offensichtlichsten. So lange z.B. ein Roboadvisor schlicht einfach den gleichen Prozess abbildet, wie man es von den Bankenwelt schon seit zwei Dekaden kennt oder so lange das Bezahlen mit dem Mobile nur einen marginalen Vorteil bietet, wird es hier auch in den nächsten Jahren kein Erdbeben geben. Es ist aber ganz klar so, dass Banken viel stärker auf Home-Office setzen werden. Weiter bin ich überzeugt, dass unser Widerstand zur Veränderung durch die Krise stark gesunken ist. Viele Leute mussten aufgrund der vom Bund verordneten Massnahmen ihren täglichen Ablauf stark ändern.
Im Vergleich dazu wird jede zukünftige Änderung aufgrund der digitalen Transformation wie ein laues Lüftchen empfunden werden. Weiter ist ein zentrales Element für das Wirtschaftswachstum, die gesteigerte Produktivität. Um diese zwingende Produktivität zu erzielen, speziell in Europa, ist die Digitalisierung absolut zentral. Falls wir hier trotzdem nicht vorwärts machen, China wird sich bewegen, und zwar noch viel stärker als in Vergangenheit und wir werden einfach folgen müssen. Bis alle diese positiven Faktoren zum Tragen kommen, braucht es aber Zeit. Wir werden zuerst wahrscheinlich enttäuscht sein, danach jedoch sehr positiv überrascht.
Mit was beschäftigst Du Dich derzeit?
In den letzten Wochen war ich aktiv im Austausch mit Fintech Startups , dem Bund und dem Kanton Zürich und versuchte mitzuhelfen, dass das Hilfsprogramm für CH-Startups möglichst zielführend ist. Weiter kommuniziere ich ziemlich intensiv mit Acceleratoren, Bildungsstätten und weiteren Organisationen in Brasilien, China und im Mittleren Osten die an Zusammenarbeit mit Fintechs in der Schweiz interessiert sind. Ich versuche so auch hier die Kontakte, die ich im Rahmen der Bundesratsreisen knüpfen konnte, zu leveragen und Dinge, die im Rahmen dieser Finanzdelegation initiiert wurden voranzutreiben.
Challenger Banken in Brasilien: Es bewerben sich 20 bis 30 zukünftige Digitalbanken um eine Lizenz
Du bist ja öfters in Brasilien und kennst die Fintech Trends dort sehr gut , was verpassen wir hier?
Ich denke wir unterschätzen Brasilien grundsätzlich. In der Breite ist die Bevölkerung schlecht ausgebildet und entsprechend nimmt der 08/15 Brasilienreisende vor allem dies war und vergisst, dass es absolut gesehen viele Brasilianer gibt, die unglaublich smart sind und zudem tolle, kreative Unternehmer sind. Die brasiliansiche Fintech Welle hat ca. ein bis zwei Jahre nach jener in der Schweiz begonnen ist aber trotz der schwachen Wirtschaft der letzten Jahre dynamisch gewachsen.
Das Augenmerk, sollten wir auf die Challenger bzw. in Zukunft auf Crypto-Banken richten. Brasilien ist hier prädestiniert für eine gewaltige Disruption. Aktuell ist ca. 80% des Banking Business in Brasilien in der Hand von fünf Banken. Dies ist ein Grund warum die Qualität der Bankdienstleistungen nicht ausgesprochen gut ist. Für Challenger Banken ist es somit schwierig ein Teil vom Kuchen abzuschneiden. Die Regierung ist jedoch daran interessiert, diese Bastion aufzuweichen. So hat z.B. die Regierung Bolsonaro dafür gesorgt, dass es jetzt viel einfacher ist eine Bankenlizenz zu erlangen. Aktuell bewerben sich 20 bis 30 zukünftige Digitalbanken um eine Lizenz.
Bitte nenne uns ein Fintech in Brasilien was wir unbedingt verfolgen sollen und sag uns warum?
Ganz klar Nubank. Viele Schweizer Fintech Aficionados werden dieses Fintech bereits kennen. Diese Challenger Bank ist z.B. vergleichbar mit Revolut. Nebst einem Konto und Kreditkarten bieten sie auch Kredite an. Nubank ist die grösste Fintech Firma in Lateinamerika und eines der wertvollsten Fintech Startup der Welt. Das Potenzial ist aufgrund der Grösse des Landes und der digitalen Affinität der Brasilianer enorm. Weiter sehr spannend, Tencent/WeChat halten seit 2018 ca. 5% von Nubank.
Brasilianischer Innovationsgeist gegebenenfalls gepaart mit Chinesischer Tech-Expertise, da kann noch viel entstehen. Kurz erwähnen möchte ich auch noch Veezoo, ein Siri für Banken und Versicherungen. Die Firma wurde für gut vier Jahren in Zürich von zwei Brüdern aus Rio und einem Schweizer gegründet. Es ist ein perfektes Beispiel für Brazilian Power. Die Brüder, die aus einer Unternehmerfamilie kommen, haben ihr Master mit Bestnote abgeschlossen und sind typisch brasiliansisch «gnadenlos optimistisch», so ist es z.B. das erklärte Ziel des CEO’s grösser zu werden als Google.
Fintech in Brasilien und Schweiz: Die perfekt Symbiose
Was kann die Schweiz von Fintech in Brasilien lernen oder ist es umgekehrt?
Ganz generell gesagt ist es die perfekte Symbiose. Brasilianer strotzen vor Optimismus und selbst der grösste IT Nerd ist immer noch ein bessere Networker als ein Schweizer Relationship Manager. Die Jungs und Mädels aus dem Land des Samba’s haben ihre Stärken nicht in der Planung, sie können aber ausgesprochen gut auf ungeplante Ereignisse reagieren. Bevor wir Schweizer etwas starten, fragen wir uns zuerst im Detail was alles schief gehen könnte und wir verpassen je nachdem tolle Opportunitäten, weil wir zu stark auf unsere Strategie und die Planung fokussiert sind. Kombiniert man die Stärken beider Nationen und eliminiert so die Schwächen, dann ist der Griff nach den Fintech-Sternen absehbar. Etwas konkreter, aus meiner Sicht ist das Schweizer B2B Fintech Modell ein Konzept, dass sehr gut nach Brasilien exportiert werden kann.
Welches Schweizer Fintech Startup sollten wir unbedingt auf dem Radar haben?
Auf dem Radar haben, sollte man Advaisor. Das noch junge ETH-Spinoff ist seit der Gründung äussert dynamisch unterwegs. Konzeptionell einfach verständlich machen sie die Corporate Culture messbar und so auch die Leistung der Führungspersonen. Mit dem gleichen Ansatz kann auch evaluiert werden, wie stark eine Firma wirklich auf den Kunden fokussiert. Die Lösung dieses Startups ist nicht nur im Finanzsektor einsetzbar.
Bitte nominiere einen Schweizer Fintech Influenzer der sich auch international auskennt?
Ich nominiere Osci Neira
*Bio Swiss Fintech Influencer Marc Lussy:
Marc hat über drei Dekaden für verschiedene Banken als Händler, Vermögensverwalter und Projektleiter für strategische IT-Projekte gearbeitet. Als selbständiger Berater unterstützt er seit 2010 Startups und verschiedene Organisationen im In- und Ausland mit seiner Expertise im Bereich Banking und Fintech. Marc ist zudem Senior Advisor beim F10 Fintech Incubator & Accelerator und Partner bei einer Wealthtech Firma.
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