Das digitale Rad dreht sich infolge der COVID-19-Pandemie immer schneller, gerade im Online- wie im kontaktlosen Zahlungsverkehr.
Die Kreditkartenanbieterin VISA sorgte am 3. Februar für Schlagzeilen als ihr CEO Alfred Kelly bekanntgab, das Bezahlnetzwerk der Firma werde bald eine Fülle von Kryptowährungen akzeptieren – ein weiterer digitaler Meilenstein, der zweifelsohne junge Leute ansprechen wird, betagte Konsumenten aber irritieren mag.
„Neun von zehn Menschen unter den 18- bis 34-Jährigen kennen Bitcoin, aber 88% der Generation 65+ ist Bitcoin unbekannt,“ laut dem Tech-Guru Spencer Bogart, General Partner bei Blockchain Capital.
Heutzutage sind ältere Mitbürger immer wieder auf die Hilfe von Kassierern und Verkäufern angewiesen, um selbst kleinere Rechnungen im Supermarkt oder im öffentlichen Personennahverkehr zu begleichen. Die rasche Ausbreitung kontaktloser oder biometrische Bezahl-Terminals ruft Banken und Kartenanbieter auf den Plan. In Deutschland beispielsweise “werden Rentner oft digital vernachlässigt,” sagt ein Artikel, der im Oktober 2020 in der FAZ.
Der Artikel zitiert eine Studie wonach lediglich 21 Prozent der Kunden, die 65 und älter sind Online-Banking nutzen, und nur 5 Prozent ihr Bankkonto über eine App auf dem Smartphone nutzen. In den USA gibt es ähnliche Schieflagen im Cyberspace: dort nutzen nur 7 Prozent der gleichen Altersgruppe den Microblogging-Dienst Twitter.
Europa und Nordamerika haben noch einen gemeinsamen Nenner: die westlichen Gesellschaften altern rasant. Die Lebenserwartung steigt aufgrund des medizinischen Fortschritts und eines wachsenden Lebensstandards. Gleichzeitig steigt die Dauer des Rentnerdaseins, denn nur wenige sind daran interessiert spät in Pension zu gehen. Die Unternehmensberater von Deloitte fanden heraus, “dass sich nicht jeder mit der Idee eine bargeldlosen Gesellschaft anfreunden kann, insbesondere nicht die eher konservative Schweiz.“
Nonstop-Aufstieg des digitalen Geldes
Die globale Ausbreitung der Lungenkrankheit durch das Virus Sars-COV2 hat digitalen Bezahlsystemen noch einmal einen Schub verliehen. Wir haben 5 Thesen formuliert für die Inklusion der Kundengruppe 65+ für Banken und Anbietern von digitalen und mobilen Bezahl-Terminals, damit diese zahlungskräftige Gruppe nicht den Zug zur bargeldlosen Gesellschaft zu verpassen.
1. Marktsegmentierung ist entscheidend
Die Taktik “Eine Konfektionsgröße für alle” klingt zwar modern, sie macht jedoch wenig Sinn bei Online-Banking und dem digitalen Bezahlen. Eine Anbieter haben auf den wachsenden Bedarf für auf betagte Kunden zugeschnittene Lösungen reagiert. Das zweite Schweizer Bankhaus Credit Suisse hat im September 2020 die Subdivision CSX Young lanciert, um sich mit diesem Segment voll und ganz auf ihre junge Kundschaft , die oft viel gewandter mit digitalem Geld umgeht und dementsprechend anspruchsvoll ist, zu fokussieren. Denn die bereits länger im Berufsleben stehenden und pensionierten Kunden mit den Youngstern in einen Topf zu werfen wird oft zum Spagat und funktioniert nicht.
2. Expertenwissen gefragt
Nicht nur sind zu kleine Ziffern auf dem Smartphone oft ein Hindernis für Betagte, sondern auch aufgrund der (temporären) Schließungen von Bankfilialen aufgrund der Pandemie fühlt sich die betagte Kundschaft oft nur unzureichend beraten. Viele Applikationen für das elektronische Konto für die Westentasche Tasche wurden zudem fast immer von jungen Programmierern realisiert. Expertenwissen von Pensionären für Pensionäre ist gefragt. Diese kann durch eine Umfrage oder durch die Beschäftigung eines Pensionärs oder einer Pensionärin auf freischaffende Basis akquiriert werden.
3. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Die digitale Transformation schreitet voran wie nie, was leider auch Nepper auf den Plan ruft. Von Phishing-Attacken per E-Mail bis hin zum PIN- und Kartenklau – die Gefahren sin da, aber sie sind kontrollierbar. Deshalb: Die Anbieter von kontaktlosen Bezahlterminals müssen Détail-Händlern eine Einweisung in die Apparatur geben und darauf hinweise, dass Kunden stets die Rechnung auf Papierform behalten sollen. Große Lettern an den Kassen über den genauen Gebrauch der Terminals sind obligatorisch. Außerdem sollten die Banken ältere Kunden speziell über regulatorische Änderungen auf dem Laufenden halten.
4. Sicheres Reisen für Rentner
“Zwei Geschäftsmodelle werden die Zukunft gewinnen: die Reisebranche und der damit verbundene Rentnertourismus,“ sagte Michael Chin, Vorsitzender der Firma Group Talent Global in einem Interview mit der englischsprachigen China Daily. Sobald Reisebeschränkungen im Laufe von 2021 wieder fallen, werden technisch gewiefte Pensionäre viele Fragen stellen: Kann ich meine Debitkarte auch an Flughäfen und im Ausland benutzen? Welche Kosten fallen an, wenn ich mein Hotel mit Kreditkarte bezahle oder damit Fremdwährungen von einem Bankomaten beziehe? Die britische Bank HSBC hat in Dubai, einem beliebten Ferienort für „Kader ausser Dienst“, im Verein mit Visa virtuelle Debtikarten herausgebracht. Innovationen wie diese werden den Beratungsbedarf unter den Senioren noch einmal steigern.
5. Zuhören, bitte!
Kunden, die von ihrer Pensionskasse leben haben gegenüber jungen Hipstern eines voraus: Erfahrung. Sollte dies nicht für Plastikgeldbieter und Geldhäuser von Vorteil sein? Unsere Großeltern haben die Kubakrise, den Ölpreisschock von 1973 und den Fall des Eisernen Vorhangs durchlebt. Das Konsumverhalten während Krisen und Inflation ist oft unerforscht, aber Gold wert für die Finanzbranche. Die Generation Silber hat viel zu berichten und deren Risikowahrnehmung im Hinblick auf Passwörter und Kryptowährungen sind Anleitung für die Produktenwicklung und Vermarktung. Feedback kann durch einen 24/7-Callcenter eingeholte werden oder durch den Berater im Retailbanking.
Licht im Tunnel
Trotz der Herausforderungen im Hinblick auf die Einbindung älterer Kunden in die digitale Transformation der Finanzwelt gibt es Hoffnung. Laut der Schweizer Sozialorganisation Prosenectute, die betagte Menschen unterstützt, sind 74 Prozent der 65plus-Pensionäre in der Schweiz online, dank von Initiativen, die Banken, Versicherer und Kartenanbieter ergriffen haben.
Auch die Reisebranche zieht allmählich mit. Im Februar gab der französische Hotelkonzern Accor bekannt, seine Ibis- und Sofitel-Ressorts mit digitalen Zimmerschlüsseln namens „Accor Key“ auszustatten. Initiativen wie diese werden Urlauber im Lebensabend den notwendigen Schubs in Richtung digitaler Alltag in der postpandemischen Ära geben.
Maßnahmen wie diese sind indes kein Luxus, sondern notwendig. Denn welcher Ladenbesitzer, Supermarktgigant oder Reiseanbieter will schon auf die kaufkräftige Generation Silber verzichten nur weil er sie unzureichend berät oder seine Produktepalette oder die Vertriebskanäle nicht an die entsprechenden Bedürfnisse anpasst?
Gemeinsam haben die Marktteilnehmer, dass die digitale Sicherheit ganz oben auf der Traktandenliste stehen muss – denn Sicherheit erwartet jeder, ganz gleich ob Studentin oder Rentnerin.
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